Deutsch-Französische Gesellschaft Paderborn
Société franco-allemande de Paderborn
Am Scheideweg? – Welche Herausforderung muss die EU meistern?
Kurz vor der Europawahl im Juni präsentiert die Deutsch-Französische Gesellschaft den Vortrag „Am Scheideweg? – Welche Herausforderung muss die EU meistern?“.
Professor Dr. Peter E. Fäßler, Historiker an der Universität Paderborn, beginnt seinen Vortrag mit einem Rückblick auf den 1. Mai 2004. Es war der Tag, an dem die EU-Osterweiterung in Kraft trat – die größte Erweiterung der EU, die beginnend mit 6 Staaten heute 27 Staaten umfasst. Damals schien die EU ein attraktives Ziel zu sein.
20 Jahre später gibt es viele Zweifel. Die EU befindet sich am Scheideweg. 27
Staaten machen eine Entscheidungsfindung schwierig und schon damals gab es die Skepsis, ob in allen neu beigetretenen Ländern eine demokratische Kultur herrscht.
Prof. Dr. Fäßler betont fünf Aspekte, die die EU herausfordern:
Er beginnt mit der digitalen Revolution (seit 1990), die andere Kommunikationswege und Fake news ermöglichen, sowie große, nicht national zu steuernde Internetkonzerne mit sich bringt.
Weiterhin nennt er die ökologisch-planetare Krise, die seit Langem, bewusst seit 2018 existiert.
Die Migration ist als Problem ein relativ junges Phänomen, das sich seit 2015
zuspitzt. In der EU gibt es bis heute keine solidarische Lösung, kein abgestimmtes Verfahren. Für viele sei allein dies der Grund, die AFD zu wählen, so Fäßler.
Seit 2010 beobachtet man, dass die Demokratie mit ihrer Rechtstaatlichkeit und Marktwirtschaft, die bisher in Europa für das beste System gehalten wurde, schwach geworden ist. In allen Demokratien finden sich inzwischen populistische Tendenzen, die sich auf nationale Interessen fokussieren. Hier stellt sich für die EU die Frage, wie man mit Staaten umgeht, wo Demokratie nur noch auf dem Papier herrscht, aber nicht mehr gelebt wird. Fäßler zeigt auf, wie viel Mühe es derzeit für Polen bedeutet, wieder demokratische Strukturen zu etablieren.
Schließlich sei seit den 2010er Jahren die äußere Sicherheit und Frieden nicht mehr gegeben und die USA kein verlässlicher Partner mehr. Bis heute gibt es keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU.
Insgesamt steht die EU vor neuen Bedingungen. Laut Fäßler herrscht ein
Vertrauensverlust. Bisher selbstverständliche Regeln scheinen nicht mehr gültig zu sein. Es gebe kein „Grand Design“ für die EU, sondern es werde immer „geguckt, was gerade geht“, so Fäßler. In den EU-Staaten herrsche ein Defizit an Präsenz, an emotionaler Identifikation mit der EU. Außerdem sei die EU sehr wenig anpassungsfähig. Auf Herausforderungen könne das System nicht schnell reagieren.
Zum Schluss erläutert Prof. Dr. Fäßler drei Optionen, die er für die EU sieht:
Optimierung der Funktionalität, Definition von politischen Zielen und die Pflege einer politischen Kultur.
Im Anschluss an den Vortrag gibt es rege Diskussionen. Im Publikum scheinen viele Menschen zu sitzen, denen die Zukunft Europas sehr am Herzen liegt. Ein sehr informativer, auf wichtige Aspekte fokussierter Vortrag, den Prof Dr. Fäßler am Vormittag bereits vor zahlreichen Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Paderborner Schulen gehalten hatte.