Deutsch-Französische Gesellschaft Paderborn
Société franco-allemande de Paderborn
Frankreich nach den Wahlen
In seinem Vortrag am 26.04.2022 vor zahlreichen Zuhörern im Hotel Aspethera/ Kolping-Forum beleuchtete der dem Paderborner Publikum bestens bekannte Sorbonne-Dozent und Politologe Prof. Dr. Henri Ménudier den französischen Wahlkampf, das Ergebnis der Wahlen vom 10. und 24. April und die möglichen Folgen für die deutsch-französischen Beziehungen und für Europa.
Professor Ménudier stellte die Wahl des französischen Präsidenten in die lange geschichtliche Tradition der 1. bis 5. Französischen Republiken. In der 5. Republik unter Charles de Gaulle wurde die Macht ganz zum französischen Präsidenten der Republik transferiert. Seit 1962 wird dieser direkt vom Volk gewählt und ihm fallen große Machtbefugnisse zu. Die Amtszeit beträgt 5 Jahre.
Bei den aktuellen Wahlen standen sich im zweiten Wahlgang am 24. April Emmanuel Macron und Marine Le Pen gegenüber.
In seinen Ausführungen wies Professor Ménudier darauf hin, dass der alte und neue Präsident Emmanuel Macron keiner Partei angehört, sondern einer „Bewegung“ vorsteht, der „La République en marche“.
Professor Ménudier charakterisierte die Gegenkandidatin Marine Le Pen als eine Politikerin, die während des Wahlkampfes versuchte, sich weiter zu „dédiaboliser“, also sich zu entteufeln. Im Zentrum ihres sehr volksnahen Wahlkampfes stand das Thema Kaufkraft und Inflation. Während der ultrarechte Kandidat Zemmour vor allem gegen Muslime und den Islam sprach, verbarg Le Pen ihre ausländerfeindlichen Parolen. Im Parteiprogramm finden sich aber viele Äußerungen, die ihre wahre Einstellung zeigen, auch ihre Deutschfeindlichkeit und ihre Abneigung der Europaidee gegenüber.
Professor Ménudier beleuchtete die offensichtlichen Probleme und negativen Seiten des Wahlausgangs. Besonders nannte er die besorgniserregende geringe Wahlbeteiligung und die große Bedeutung der extremen Parteien (45%), ausgelöst durch soziale Unzufriedenheit. Im 2. Wahlgang hat Macron im Vergleich zu 2017 Prozente und damit Wählerstimmen verloren, v.a. in vielen kleinen Gemeinden und in den Überseegebieten wie Guadeloupe.
Mit Spannung werden nun die Parlamentswahlen im Juni erwartet. Macron will unpopuläre Themen angehen wie die Reduzierung der Verschuldung und das Anheben des Rentenalters. Dabei wird er auf die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien in der Nationalversammlung angewiesen sein, die es ihm sicherlich besonders bei innenpolitschen Themen nicht leicht machen werden.
Abschließend betonte Professor Ménudier, dass Präsident Macron die deutsch-französische Zusammenarbeit auf allen Ebenen fortsetzen möchte. Seine erste Auslandsreise wird ihn nach Berlin zu Bundeskanzler Scholz führen.
In einer zweiten Veranstaltung mit Schülerinnen und Schülern der Klassen 9 und Oberstufe verschiedener Paderborner Schulen stellte Professor Ménudier die enge Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, die nach vielen Kriegen und einer langen Feindschaft nicht selbstverständlich ist. Inzwischen ist aus
der Versöhnung der beiden Völker eine enge Zusammenarbeit und weitreichende Freundschaft geworden.
Prof. Ménudier appellierte an die Jugendlichen, sich für die Freundschaft zwischen den beiden Ländern und für die europäische Idee einzusetzen. Die jungen Leute sollten jede Möglichkeit nutzen, in Europa und in der Welt zu reisen, um andere Länder und Menschen kennenzulernen. Nur ein gegenseitiges Kennenlernen ermöglicht Toleranz und sichert ein friedvolles Zusammenleben.